In den Stammesgesellschaften überwiegt oft die Herrschaft der Männer, aber es gibt Traditionen wie die der Wodaabe aus Niger, eines der überraschendsten und unbekannten Stammesfeste Afrikas: das Geerewol, ein altes Ritual, in dem die Frauen es sind, die unter den stattlichsten Männern jene aussuchen, die sie für eine Nacht begleiten ... oder für den Rest ihres Lebens.

In Westafrika gibt es ein riesiges Territorium, in das Spanien zwölf mal hineinpassen würde, und das sich über mehrere Nationen ausdehnt: von Mauretanien bis Guinea, durch Mali, Niger, Senegal und Nigeria hindurch. Es ist der Lebensraum der Fulbe, die gemeinsam mit anderen Ethnien diese gesamte Region seit uralten Zeiten bewohnen. Die Fulbe machen fast 33% der Bevölkerung von Guinea Conakry, 29% von Mali und Mauretanien, 20% von Senegal, 12% von Niger und 10% von Nigeria aus, und obwohl ihr Ursprung nicht eindeutig zu bestimmen ist, glauben einige Anthropologen, dass ihre Wurzeln bis in das Neolithikum reichen. Die Wodaabe aus Niger - unter den anderen Fulbe - unterscheiden sich von ihren Nachbarn nicht nur wegen ihres hohen Wuchses und ihrer stolzen Haltung oder wegen der Feinheit ihrer Züge, sondern auch durch Handlungen und Gewohnheiten, die ihre Andersartigkeit hervorheben und das Besondere an ihnen bestätigen. Als wäre es ein Zeichen des Bewusstseins ihrer Originalität und der Eigentümlichkeit ihres Biotyps, pflegen die Wodaabe einen übersteigerten Kult der männlichen Schönheit, in dem jede Geste, wie klein sie auch sei, Teil dieses uralten Kultes des gefälligen körperlichen Aussehens ist. Wiederum ist es kurios, dass andere Stämme sie abwertend „Bororo“ nennen, was in der Hausa-Sprache so viel bedeutet wie „die sich nie waschen, die mit der staubigen Herde“.

Von der „Salzigen Heilung“ zum „Worso“ Das Leben der Wodaabe kreist um das Vieh und bewegt sich im Rhytmus der Jahreszeiten, denn als Nomadenhirten reisen sie das ganze Jahr über. Im Januar, gegen Ende der Trockenzeit, ziehen sie Richtung Süden auf der Suche nach feuchten Weiden und Brunnen, die noch Wasser haben. Die Monate April und Mai sind sehr schwierige Monate, aber der Juni, obwohl er sehr heiß ist, kündigt die kommenden Regenfälle an, und das Vieh wird mindestens zwei Monate lang grünes Gras fressen. In diesen inmensen Gebieten gelegentlicher Weideflächen wird die „Salzige Heilung“ vorgenommen, ein Abführ-Ritual des Viehs. Alle Nomadenstämme, sowohl die Tamascheq (Tuareg) als auch die Wodaabe (Bororo), führen ihre Herden in das Gebiet um Tegida-n-Tesum, wo es Brunnen mit einem salzigen Wasser gibt, das geeignet ist, um die Gesundheit des Viehs zu verbessern: Salz für die Kamele, die die Reise von Bilma nach Agadez und noch weiter machen, Salz für den Wurf der Ziegen oder Schafe, die dadurch ein weniger hartes Fleisch geben und für die heiligen Kühe, die wahren Totem der Fulbe, die von ihren Parasiten befreit werden und deren Widerstandskraft gestählt wird, damit sie die Herdenwanderung von tausenden Kilometern durchhalten können. Fast am Ende der Regenzeit und zum Abschluss der Salzigen Heilung rufen die Häuptlinge der Stammesteile der Wodaabe die verstreuten Verwandten zur jährlichen Zusammenkunft, dem sogenannten „Worso“. Dies ist der Moment, um Geburten und Hochzeiten zu feiern, sowie den offiziellen Eintritt in das Erwachsenenalter der Jungen, die das Jünglingsalter beenden. Alle Wodaabe versammeln sich zwei Wochen lang, verstärken die Bande zwischen ihren Sippen, versichern erneut ihre Identität und schaffen die Gelegenheit dafür, dass auf dem großen Geerewol-Fest Liebesgeschichten entstehen können. Im Verlaufe des Worso sprechen die Alten Recht, schlichten Streit und die Jungen tanzen und umwerben die Mädchen. Bei Sonnenuntergang trinken die Jungen einen Liebestrank, um den Mädchen besser zu gefallen. Die Sippen stellen sich in Reihen nach Abstammung auf und die Jungen, die die besten Kleider tragen, bemalen sich das Gesicht ockerfarben und rot, glätten ihr Haar und kämmen es über eine Art Diadem aus Watte, das von eleganten Straußfedern gekrönt wird. Dann beginnt eine Art großer Wettbewerb in Gesang, Tanz und Eleganz, der bis spät in die Nacht ausgetragen wird und sich über mehrere aufeinanderfolgende Tage hinzieht, im Tanz des „Rummi“ und des „Yakee“, die vom Geerewol gekrönt werden. Der Rummi ist der Begrüßungstanz. Er wird in Zirkeln getanzt und die Jungen singen dabei Schulter an Schulter, sich an den Händen haltend, rund um die Alten herum, die in die Hände klatschen. Der Yakee beginnt mit langen Lobgesängen, die als Rufe vorgebracht werden, um die verstreuten Freunde zusammenzubringen. Im Gänsemarsch stellen sich Kameraden der gleichen Abstammung und Altersgruppe auf, die große mit schwarzen Straußenfedern geschmückte Hüte aus Stroh und Leder, einen Rock aus Zebuleder und ein von den Mädchen genähtes Frackhemd tragen. Der Tanz beginnt mit sparsamen Bewegungen, einem langsamen Schaukeln, Drehungen auf einem Bein und auf dem anderen, sie umrunden sich und begleiten mit kräftigem Händeklatschen einen Gesang, der vom Zeremoniemeister geleitet wird, einem Erwachsenen, der eine schwarze Tunika trägt. Die Stimmen, die nur durch Händeklatschen punktiert werden, überlagern und verweben sich, und schaffen eine Polyphonie eines langsamen Rhytmus, sich wiederholend, zwanghaft, anschwellend ... „ummalee, lele-lele, mosi, dorori“.... und während sie tanzen, zeigen sie ihre schneeweißen Zähne, die von geschminkten Lippen hervorgehoben werden.

Die Verführung des Geerewol Für den eigentlichen Geerewol wird die Bekleidung der Tänzer gewechselt. Jetzt ist ihr Oberkörper nackt und sie tragen einen weißen Rock und sind mit einer großen weißen Straußenfeder geschmückt. Der Tanz hat kriegerischen Charakter und die Tänzer tragen ihre Waffen und wiegen sich nach vorn. Es ist ein langsamer Rhytmus, der über die Stunden hinweg eine gewisse Raserei erreicht. Einige treten aus der Reihe, in dem sie einen Schritt nach vorn tun, zeigen den Mädchen ihre schneeweißen Zähne, die durch die Farbe der Lippen hervorgehoben werden, mit einem breiten und statischen Lächeln und weit geöffneten Augen. Diese Art des Tanzes ist typisch für die Traditionen der Fulbe, die in der weiten Diaspora ihres Nomadenvolks und der Bekehrung zur moslemischen Religion verloren gegangen sind. Er wird durch den Gesang in der Gruppe charakterisiert und von Händeklatschen und Füßestampfen begleitet, so dass der Geerewol eines der noch erhaltenen Beispiele dieser Praktiken der sich wiederholenden und hypnotisierenden Chorgesänge in einer beweglichen Linie von Tänzern ist. Die gesamte Mimik hat ihre Bedeutungen und ihr Ziel ist es, die körperliche Schönheit hervorzuheben. Gegen Ende der Zeremonie (und das bekommt nicht jeder zu sehen) werden vom Zeremoniemeister oder von alten Frauen die schönsten Mädchen in die Reihen der Tänzer hineingeleitet. Langsam schreiten sie mit gefalteten Händen voran und berühren schließlich mit der stillen Geste einer schlaffen Hand ihren Auserwählten, der dies für den Rest der Nacht oder vielleicht für das ganze Leben sein wird. Jenseits von ernsthaften anthropologischen Erörterungen kann man den Geerewol als einen wahren männlichen Schönheitswettbewerb primitiver Art bezeichnen, wo die Jungen ihre körperlichen Gaben ausbreiten und die weibliche „Jury“ die Männer erwählt und ausprobiert. Die „Kostprobe“ wird zu einer wahren „Liebesverkostung“, denn jedes Mädchen nimmt ihren Erwählten auf einen Spaziergang hinter die Dünen mit, damit er ihr unter dem einsamen Licht der Sterne beweist, dass er wirklich in jeder Hinsicht ein Mann ist. Zweifellos sind wir sehr voran gekommen seit den Zeiten, zu denen der Geerewol, der durchaus mehr als zweitausend Jahre alt sein kann, die Art war, im primitiven Afrika einen Partner zu finden. Heute haben wir hingegen Internet und das Handy, Treffpunkte und blinde Treffen. Und wenn der Leser außerdem irgendeine unterschwellige Ähnlichkeit zwischen dem Geerewol und den gegenwärtigen Diskotheken entdeckt, wo sich eine gewisse Jugend mit Alkohol und Drogen vergiftet und die Pärchen die Nacht leidenschaftlich in den Autos des Parkplatzes beenden, dann ist das reiner Zufall. Außer den Mitteln und Räumlichkeiten gibt es noch andere Unterschiede, denn unter den Wodaabe ist es das Wahrscheinlichste, dass das Paar dieser Nacht es dann für das ganze Leben bleibt, und außerdem …. gibt es den Geerewol nur einmal im Jahr.