Bayamo Wurzeln des Kubanertums
Ich gebe zu, einer jener vieler Passagiere zu sein, die mehr als einmal von Havanna nach Santiago de Cuba gereist und an der Abfahrt nach Bayamo weitergefahren sind, und das nicht nur auf Busreisen. So geht es vielen Touristen, die den kubanischen Osten bereisen. Nun habe ich endlich diesen eigenartigen Bann gebrochen, vorbei und weiter zu fahren, und bin begeistert. Die Schlussfolgerung ist einfach: man muss durch die Tore der historischen Denkmalsstadt ziehen, um den Schlüssel des Kubanertums zu entdecken.
Zuerst erfährt man, dass lange vor dem Eintreffen von Diego Velázquez, dem Adelantado der spanischen Krone, dem die Verteilung von Ländereien und die Gründung von Siedlungen des beginnenden Unternehmens der Kolonisierung oblag, bereits mehrere Tausend Eingeborene hier an den fruchtbaren Ufern des Flusses Bayamo lebten, die ursprünglichen Kubaner, die der Volksgruppe der Tainos angehörten. Es war kein unbesiedeltes Land. Jene, die in den Augen von Christoph Kolumbus „Indianer“ zu sein schienen, nannten die Insel Kuba, wie der Pater Bartolomé de las Casas bezeugte. Und obwohl der Admiral sie Juana taufte, behielt die Insel Kuba ihren Namen und die hier Geborenen – Kreolen, die Nachfahren der Spanier oder Mestizen, die den verschiedenen Ethnien entstammten – zogen es vor, Kubaner genannt zu werden. Deshalb sprachen die Einwohner Bayamos von „über 500 Jahren Geschichte“ in ihrem Motto zu den Feierlichkeiten der Gründung von San Salvador de Bayamo im Jahre 1513.
Es war die zweite Kolonialstadt, die nach Baracoa von Velázquez gegründet wurde. Sehr bald überflügelte sie diese im wirtschaftlichen Aufschwung, dank des Zuckers, aber vor allem dank des nicht einzudämmenden Schmuggels. All diese Geschichte ist niedergeschrieben, aber jeder Einwohner Bayamos kann sie detailgetreu wiedergeben. Gedächtnis gibt es sehr viel in dieser Stadt, weil fast alle Gebäude, die seit jenem Gründungstag des 16. Jahrhunderts bis zum 12. Januar 1869 erbaut worden waren, von ihren Kindern den Flammen übergeben wurde – als Ausdruck der Aufopferung im Kampf um die Unabhängigkeit - , damit sie nie wieder unter spanischer Herrschaft stünde.
Nur wenige einfache Gebäude, die Überreste der im Jahr 1740 erbauten Kirche und der gepflasterte Platz rings um sie herum sind noch erhalten, wo die Aufständischen zum ersten Mal die Musik und den Text der Bayamesa von Perucho Figueredo sangen, die zur Nationalhymne werden sollte. Heute markiert ein modernes Uhrwerk jede Stunde mit den entsprechenden Glockenschlägen und der harmonischen und liebenswerten Melodie der Bayamesa.
Mit den ersten Sonnenstrahlen beseelen Tausende von Vögelchen, die auf den dicht belaubten Bäumen nisten, mit ihrem Gesang diese koloniale Zufluchtsstätte. Sie ist von der Pfarrkirche, dem gepflasterten Platz der Hymne und dem Park umgeben, der den ersten Platz der Revolution einnimmt. Dort stehen ein einfaches Denkmal von Céspedes und eine Büste von Figueredo, welche von dem Text und den Originalnoten der Hymne flankiert wird, die aufruft: „auf zum Kampf eilt herbei, Bayamesen“. Um diese Zeit, sehr früh, kehren Männer und Frauen einer emsigen Brigade und verleihen den Granitfußböden Glanz, trocknen Pfützen aus, säubern die Bänke. So ist es in der ganzen Stadt, die zum Stolz ihrer Bewohner glänzt.
Zu diesem historischen Zentrum gehören auch mehrere Museen, unter ihnen das Geburtshaus von Carlos Manuel de Céspedes; die erste Freie Stadtverwaltung Kubas; das Bürgermeisteramt von Bayamo und das Geburtshaus des Musikers Manuel Muñoz Cedeño. Von da aus kann man in eine der originellsten Fußgängerzonen Kubas abbiegen, die Promenade von Bayamo, die sich auf der Allee General García befindet. Auf ihr wechseln sich die Materialien ab, die an diesem Ort seit den Kolonialzeiten beim Bau benutzt worden sind - Chinas Pelonas (Flussteine), Pflastersteine und Ziegel – bis hin zu poliertem Marmor und Granit. Entlang dieser Straße folgen Privathäuser und gastronomische Einrichtungen, Geschäfte und Kulturzentren aufeinander. Neben anderen stechen vor allem die Fachakademie der Bildenden Künste Oswaldo Guayasamín und das Wachsmuseum, das einzige im Land, hervor.
Die Bayamesen erinnern sich an viele Geschichten, die mit ihrer Umgebung, der Provinz Granma, in Beziehung stehen. Sie wird vom Südgefälle der Sierra Maestra durchzogen, wo sich der Pico Turquino erhebt, und zieht sich bis zum Golf von Guacanayabo und der angesehenen Bucht von Manzanillo hin. Dies alles waren Orte der Herausbildung der Nationalität. In Yara wurde der Kazike Hatuey gefoltert und bei lebendigem Leibe verbrannt, weil er den spanischen Eroberern Widerstand geleistet hatte. Hier fand später der von Céspedes angeführte Unabhängigkeitsmarsch von der Zuckerfabrik La Demajagua bis nach Bayamo statt. Der Befreiungskrieg wurde von Fidel Castro mit der Landung der Jacht Granma in Las Coloradas begonnen und von seinem Aufstieg in die Berge zeugen noch heute viele Spuren, unter anderem seine Kommandantur in La Plata. Heute sind all diese Stätten den Touristen zugänglich, die Liebhaber der Natur und der Geschichte sind, und die mit eigenen Augen die Ursprünge des Kubanertums kennen lernen wollen.