Rechts: Die Höhle «El Soplao» in Kantabrien. Unten: Ein Stück Bernstein, wie es abgebaut wird. Links: Ein Stück mit 7 Wespen und einer Schabe.
El Soplao, zu Stein gewordenes Wunder
Ein Stück Bernstein, das unter dem Sonnenlicht oder unter ultraviolettem Licht die Farbe wechselt.
Kleine Wespen, und eine kleine Spinne innerhalb eines Bernsteins.
Fliege mit Eiern im Unterleib, kurz vor dem Ablegen der Eier

Dieses Land, das mehrere Millionen Jahre später Kantabrien heißen würde, war jetzt ein tropisches Land. Im nahen Meer wuchsen Korallen und wohnten Hunderte Arten von zweischaligen Muscheln, Kalkröhrenwürmern y Moostierchen; die Berge und Höhen waren von harzigen Nadelhölzern und gigantischen Farnen bewachsen, und flache Seen, weite sumpfige Zonen und Mangroven waren reichlich vorhanden. Gleich daneben befand sich eine breite Flussmündung, die das Wasser mehrerer Flüsse zusammenführte. Seit Kurzem, seit nur einigen Hunderttausenden von Jahren, traten in der Vegetation eigenartige Farbflecken auf, die die Aufmerksamkeit der Wespe anzogen. Später würde man sie Blumen nennen. Es schien ein ruhiger Tag zu sein, einer mehr, an dem die Insekten und anderen Gliederfüßler von etwa ihrer Größe - Wanzen, Fliegen, Nissen, Spinnen und die gefährliche Schlangenfliege – ihre Routine beim Futtersuchen begonnen hatten. Schon seit Tagen waren in der Zone jene enormen Tiere, die alles zermalmten, was ihnen auf dem Weg begegnete, und die die Erde durch ihre Schritte zum Zittern brachten, nicht mehr zu sehen gewesen. Die Wespe näherte sich einem der Bäume, wo sie dachte, zu finden, wonach sie suchte. Das Gewicht der Eier in ihrem langen Leib zwang sie auszuruhen und die Hauptaufgabe für ihre Reproduktion auszuführen. Sie musste eine Gruppe von Raupen finden, die Gänge durch das Holz des Baumes fraßen. Dann würde sie das Holz mit ihrem Eierleg-Apparat durchbohren und die Eier in einer Raupe ablegen. Das wäre ein gutes Nest für ihre Larven und die Raupe selbst gäbe ihnen ihre erste Nahrung, wenn sie geboren wären. Sie würden sie lebend von innen fressen. Dies war eine grausame Vorgehensweise, aber das Überleben in jenen Zeiten war nicht einfach. Nach einem weichen Anflug setzte sich die Wespe auf die Rinde und begann mit deren Inspektion auf der Suche nach Öffnungen. Im Moment sah sie keine, aber ein schwacher Glanz nahm ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Das war etwas Neues, hatte eine attraktive Farbe und schien appetitlich zu sein. Sie näherte sich. Es war glänzend und hatte einen goldigen Ton. Sie kam noch ein wenig näher. Sie schob ihren Kopf vor und danach eines ihrer Beine, dann das nächste. Sie versuchte, auf jener Oberfläche zu laufen, aber etwas stimmte nicht. Ihre Beine bewegten sich nicht. Sie unternahm eine größere Anstrengung, aber sie erreichte nur, dass sie alle gefangen wurden. Jenes Harz von so schönem Aussehen wickelte die Wespe, welche es nie schaffen würde, ihre Larven loszuwerden, schließlich ein. Die benachbarte Raupe fraß weiter ruhig ihre Gänge.

110 Millionen Jahre danach In jenen Tagen Anfang 2005 ging es um die termingerechte Beendigung der Landstraße, die zur Höhle El Soplao führte, die kurz vor ihrer Eröffnung für das Publikum stand und durch die Gemeinden Rionansa, Herrerías y Valdáliga verlief. Die Instandsetzungsarbeiten dieser spektakulären geologischen Höhlung , die einzigartig auf der Welt ist, waren im Rekordtempo durchgeführt worden, dank des Drucks der Regierung von Miguel Ángel Revilla und ganz besonders seines Ministers für Kultur, Tourismus und Sport, Javier López Marcano, der dafür sein ganzes politisches und persönliches Bestreben eingesetzt hatte. Nicht umsonst ist er Sohn eines Bergmannes und kannte das touristische und wissenschaftliche Potenzial von El Soplao gut. Aber die Maschinen, die den Weg zum Gipfel öffneten, stießen in einem der Entwässerungsgräben auf etwas, das niemand erwartet hatte. Die Experten, die die erste Inspektion machten, stellten sofort fest, dass sie es mit einer der größten Bernsteinreserven Europas zu tun haben könnten. Und außerdem mit einem seltenen Bernstein. Aber es musste gewartet werden, es gab andere Prioritäten. Mehr als drei Jahre vergingen, bis im Oktober 2008, vom 20. bis zum 31., die erste paläontologische Ausgrabung vorgenommen wurde, von einem Team unter Leitung von Idoia Rosales vom Institut für Geologie und Bergbau Spaniens und mehreren Wissenschaftlern dieses Instituts und der Universität von Barcelona: María Najarro, Enrique Peñalver, Xavier Delclòs, Carmen Soriano und Ricardo Pérez de la Fuente. Nach den ersten Einschätzungen kam man zu dem Schluss, dass der Fund einzig in seiner Art ist und zum besten „Laboratorium der Welt“ werden kann, um zu erforschen, wie die Erde vor 110 Millionen Jahren war. Monate später ratifizieren die neuen Funde im Bernstein des Soplao die Idee vom außerordentlichen und hervorragenden Charakter des Fundes. Denn die Stücke, die gefunden werden, sind einzigartig und zeichnen sich durch „Menge, Vielfalt und Qualität“ aus, da sie Gliederfüßler enthalten. Gefangen im Bernstein wurden kleine Mücken, Wespen, Spinnen und andere schon ausgestorbene Insekten gefunden. Zum Teil besteht die Bedeutung dieses Schatzes darin, dass in dem Bernstein auch versteinerte Reste von Pflanzen und Nadelhölzern gefunden wurden. Das Bernsteinvorkommen von El Soplao ist 110 Millionen Jahre alt und gehört in die Zeit der Unterkreide. Vorkommen dieser Art sind selten auf der Welt, ganz besonders diejenigen, die Bioeinschlüsse (eingeschlossene Insekten oder Pflanzen) beinhalten, wie es im Territorium von Soplao der Fall ist. Bisher stachen die im Mittleren Osten (Libanon, Israel und Jordanien), im Osten Frankreichs, im Süden Englands und im Nordosten Spaniens gemachten Funde hervor. Aber, den Experten zufolge, hat der Bernstein in vielen von ihnen keine Einschlüsse von Gliederfüßlern. Deshalb ist es für die Forscher fast sicher, dass das Vorkommen im Territorium Soplao die beiden bisher als die bedeutsamsten in Spanien erkannten, Peñacerrada-Moraza (Álava) und Sant Just (Teruel), übertrifft.

Blauer Bernstein Den Wissenschaftlern zufolge handelt es sich um Bernstein subaerischen Ursprungs, aber es wurden auch abgesonderte Stücke in anderen Pflanzenteilen gefunden. Wegen seiner großen gemmologischen Bedeutung überragt ein Stück blauer Bernstein von großen Ausmaßen, das wahrscheinlich in den Wurzeln entstand und nierenförmig ist. Blauer Bernstein ist selten und ähnliche Stücke sind nur in der Dominikanischen Republik gefunden worden, was eine klare Idee über die Einzigartigkeit dieses „Schatzes“ vermittelt. Bernstein kommt in kleinen Mengen und normalerweise an den Ufern von Flüssen oder Meeren vor. Die große Bernsteinoberfläche, die in El Soplao gefunden wurde und einen Umkreis von mindestens 25 Metern hat, läßt sich durch einen Brand in der Altsteinzeit erklären, der sie nach den wahrscheinlichsten Hypothesen hervorgebracht hat, da neben Bernstein auch versteinertes verkohltes Holz oder Fusinite gefunden wurde, die die Kohlenglut des Feuers bildeten. „Es ist Holz, das sehr schnell und bei sehr hohen Temperaturen verbrannte“, sagen die Experten. Der Auslöser des Brandes könnte ein Blitz in einem Gewitter gewesen sein, da die Konzentration von CO_ in der Atmosphäre damals höher als heute war und Kantabrien tropisches Klima hatte, mit vielen Gewittern und Orkanen. Dazu kommt die Existenz sehr harzhaltiger und somit leicht brennender Wälder und eine Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre, die ebenfalls höher als heute war, was dazu beitrug, dass große Waldbrände entstanden. Das Feuer hinterließ den Erdboden ohne Schutz vor Erosion, und in den folgenden Jahren spülte das Wasser große Mengen an Kohle und Harz an die Küste, zusammen mit nicht verbranntem Holz, aus dem die Braunkohlevorkommen entstanden, welche ebenfalls vorgefunden wurden, zusammen mit einer großen Menge erstarrter Blätter. Bei den durchgeführten Ausgrabungen wurde fast fünfzig Insekten vorgefunden, die acht verschiedenen Kategorien zuzuordnen sind, hauptsächlich Fliegen, Wespen und Käfer. Das Exemplar einer Fliege weist eine sehr eigentümliche Morphologie auf, die noch nie im spanischen Bernstein entdeckt worden ist und die mit Sicherheit auch zu einer bisher noch nicht beschriebenen Art gehört. Beim Waschen der aus dem Vorkommen zu Tage geförderten Stücke wurden insgesamt sieben Exemplare gefunden (zwei von ihnen sind Wespen), die mit Sicherheit zu neuen Arten gehören. Eine von ihnen ist ein Weibchen, das am Ende des Leibes seinen Apparat zum Eierlegen zeigt, wozu es nie kam.

El Soplao, zu Stein gewordenes Wunder

Das Bernsteinvorkommen von El Soplao, von dem einige Proben im Empfangsgebäude der Höhle zu besichtigen sind, ist eines der Sehenswürdigkeiten dieser Höhlenöffnung, die über Jahrtausende vor den Augen der Menschen, nicht aber vor der Wirkung der Natur verschlossen blieb. Die mehr als 30 Kilometer langen Gänge, die die Höhle des Soplao bilden und die vor kurzer Zeit benutzt wurden, um ihre Mineralien zu fördern, was sie auch zu einem Schatz der Bergbauarchäologie macht, hat besondere Bedeutung für die Geologie. Die sensationellen Formationen, die die Höhle in ihrem Inneren beherbergt, geben ein Spiel von Hell-Dunkel-Tönen wieder, Sensationen, Farben und Formen, die sich den Gesetzen der Logik entgegen stellen. In El Soplao gibt es Hunderte von Stalaktiten und Stalagmiten, Säulen und Fahnen aus Stein, aber besonders hervorzuheben sind exzentrische Formen, die wachsen, in dem sie jede Art von Kreisen, Spiralen, Korkenziehern, etc. Bilden, sogar gegen die Schwerkraft. Die Qualität, Weiße und vor allem die Vielfalt ihrer Formationen in Aragonit und Kalzit machen sie zu einer einzigartigen Höhle, die sicher bald zum Weltkulturerbe erklärt wird. El Soplao ist eine einzigartige und unwiederholbare Höhle, eine Referenz für die Höhlenforschung der Welt, auf die gleiche Art, wie es Altamira für die prähistorische Kunst ist. Ihr Inneres ist ein geologisches und speläologisches Wunder im internationalen Maßstab. In dieses Universum vorzudringen, war keine leichte Aufgabe, und gerade deshalb ist sein Zauber durch die Zeiten für die Mehrheit verborgen geblieben. Die Höhle El Soplao hat wahre universelle Bedeutung, denn zu ihrem hohen Wert für die Umwelt kommt vor allem ihr riesiger ästhetischer Wert hinzu, der durch die reichhaltige und komplexe Vielfalt an exzentrischen Formationen entsteht, die sie einschließt, ohnegleichen in der unterirdischen Welt. Innerhalb dieser Rubrik muss man den „falschen Boden“ hervorheben, eine Zone, die wegen ihrer Großartigkeit, Aufteilung und Erhaltung von allen Höhlenforschern als die „Sixtinische Kapelle“ der unterirdischen Welt bezeichnet wird. Neben den exzentrischen besteht in perfekter Harmonie ein Universum von vertikalen Formationen (Stalaktiten und Stalagmiten), das von vielen Farben durchsiebt ist. Hervorzuheben sind auch die Erbsensteine, mehr als Höhlenperlen bekannt. Diese sonderbaren Formationen verdanken ihren Namen ihrer Ähnlichkeit mit den Perlen der Austern. Sie entstehen durch Ablagerungen von feinen Kalzitschichten rund um einen Kern aus jeglichem Material (ein Quarzpartikel, Kalzit, eine Lehmkugel oder auch ein Knochen). Im Allgemeinen sind sie rund, glatt und sehen wie Porzellan aus, so perfekt wie die der Austern. In der Höhle treten sie wie „Mäntel“ auf, die eine Oberfläche von mehreren Metern bedecken oder als Nester, aber nie einzeln. Der touristische Rundgang durch die Höhle „auf dem Laufsteg“ beträgt etwa 1.200 Meter und kann sogar im Rollstuhl gemacht werden. Zur Höhle gelangt man in einem nachgebildeten Bergbau-Zug. Ein weiterer Bereich ist für das Publikum unter der Bezeichnung Erlebnis-Tourismus offen, bei dem die Besucher bis zu drei Kilometer in der Höhle, deren Gesamtlänge 14 Kilometer beträgt, zurücklegen können. Dieser Besuch erfordert eine spezielle Ausrüstung, Helm mit Licht und Gummistiefel. (Information: Tel.: 902 82 02 82 und www.elsoplao.es).