Ein Rhythmus, der direkt ins Herz geht
Von ebenso erstklassiger Qualität wie der Rum, der Tabak und der Zucker ist die Musik Kubas. Wer sie vernimmt, kann sich ihrer Macht nicht entziehen. Wo auch immer die kubanischen Melodien mit ihren unverwechselbaren Rhythmen erklingen, wiegen sich die Palmen, bewegen sich die Füße oder werden Refrains mitgesungen, auch wenn man nicht weiß, was der Text aussagt.
Die ersten Akkorde Die ersten von Menschen erzeugten Melodien und Rhythmen, die in Kuba erklangen, waren die der Urbevölkerung; doch von deren Musik hat nichts überlebt. Zwei Kulturen starker Prägung sollten die neuentdeckte Erde mit ihren Musiktraditionen bereichern. Neben den von der iberischen Halbinsel stammenden Romanzen und Zapateos sollte recht bald Musik zu hören sein, deren Ursprung bei den afrikanischen Stämmen der Yoruba, Congo, Carabali oder Arara zu finden ist. Es vereinten sich die den Saiten entlockten Klänge und die Trommeln, das Gebet und der andalusische oder kanarische Gesang. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bildete sich das Autochthone heraus. Enthalten waren afro-französische Elemente - zurückzuführen auf die in der Folge der haitianischen Revolution eingewanderten Immigranten - sowie italienische Liedelemente.
Zwei Initiatoren: Manuel Saumell und Ignacio Cervantes Saumell, 1817 in Havanna geboren, gilt als der Initiator des kubanischen Nationalismus in der Musik. Er ist der Vater des Kontertanzes. Auch die Habanera, der Danzón, die Guajira, der Clave, die Criolla und bestimmte kubanische Liedformen sind in sein Werk eingegangen. Dieses trägt das Profil des Kreolischen und etablierte und ausgefeilte Grundelemente des Kubanischen. Dreißig Jahre nach Saumell wurde 1847 Ignacio Cervantes geboren, dem später als Pianisten die Bewunderung von Rossini, Liszt und Paderewski zuteil werden sollte.
De Matanzas me han dado und recado ... In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts (1879) schuf der Matancero Manuel Faílde den ersten Danzón: Die Höhen des Simpson. Es ist ein Tanzmusikgenre, doch langsamer, wohlklingender und abwechslungsreicher als der Kontertanz oder der Tanz. Eine Verfeinerung erfuhr er kurz danach durch José Urfé in dem berühmten Danzón El Bombín de Barreto (Die Melone von Barreto). Dieses Genre hat das kubanische Musikschaffen des gesamten 20. Jahrhunderts beeinflußt. Seit den ersten Jahrzehnten jenes Jahrhunderts wurde der Gesang mit einbezogen.
Es war Barbarito Diez, ein kubanischer Neger mit nicht nachzuahmenden Nuancen in Stimme und Melodie, der den Danzón in ganz Kuba und mehreren anderen Ländern wie Puerto Rico, der Dominikanischen Republik und den Vereinigten Staaten publik machte. Der vom Danzón abgeleitete Danzonete entstand 1929. Sein Schöpfer war auch dieses Mal ein Matancero, Aniceto Díaz. Bei diesem Genre, das den Sänger vordergründig erscheinen läßt, trat erstmalig eine Frau als Interpretin auf: Paulina Alvarez, die "Kaiserin des Danzonete" genannt.
De dónde son los cantantes?" Der Son ist eine der Grundformen der kubanischen Musik, ein zum Tanzen geeignetes Gesangs- und Instrumentalgenre. Ein mehr als populärer kubanischer Son versichert: "...Die Sänger sind von den Bergen", dabei bezugnehmend auf den kubanischen Osten, die gebirgigste Region des Landes. Doch die Sänger blieben nicht in den Bergen des Ostens: "...Sie singen im Tiefland." Der Son verbreitete sich über die ganze Insel, gelangte in die Hauptstadt. Gleich einem unaufhaltsamen Strom von Tönen brach er sich Bahn und drang ein in die Städte, Salons und Plattenfirmen. Diese Triumphlawine des Son ist auch heute noch im Rollen.
Die Präsenz dieses kubanischen Genres wird im Musikschaffen vieler Regionen der Welt von Tag zu Tag spürbarer und stärker. Die sogenannte Salsa-Musik, die in den letzten Jahren in fast ganz Lateinamerika und der Karibik in die Bühnen und diskographischen Firmen Einzug hielt, ist ein sprechender Beweis dafür. In Kuba ist es nicht einfach, eine Aufzählung der besten Son-Gruppen vorzunehmen, ohne dabei unverzeihliche Unterlassungssünden zu begehen. Daher sollen - ohne Einschätzung ihres Stellenwertes - zwei Gruppen genannt werden, deren künstlerische Laufbahn zu den umfassendsten zählt und die den kubanischen Son an die entferntesten Orte aller Kontinente brachten. Es sind dies die Gruppe "Adalberto Alvarez y Son" und das 1969 von Juan Formell gegründete Orchester "Los Van Van". Die Werke dieses Komponisten, Kortrabassisten, Arrangeurs und Direktors gelten als Klassiker im Repertoire der karibischen Popmusik.
Bolero, Cha-Cha-Cha, Mambo und Conga Ende des 19. Jahrhunderts entstand im traditionellen Lied in Santiago de Cuba der Bolero. In ihm verschmelzen hispanische und afro-kubanische Elemente sowohl in der Gitarrenbegleitung als auch in der Melodie. Sein internationaler Triumphzug bestimmte die Aufnahme des Genres in das Schaffen bedeutender Komponisten wie des Mexikaners Agustín Lara und des Puerto-Ricaners Rafael Hernández. Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts schuf Enrique Jorrín mit Elementen des bereits bekannten Danzón und des Madrider Schottisch ein Genre für Tanz und Gesang, das er Cha-Cha-Cha nannte.
Der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Matancero Dámaso Pérez Prado unter Einflüssen des Jazz geschaffene Mambo war mit seiner überaus kubanischen Perkussion so etwas wie ein Aufstand in der Tonlandschaft der Karibik und der Welt. Pérez Prado, der Schöpfer des Mambo Nummer 5 und des Mambo Nummer 8, die zu den bekanntesten gehören, schuf auch die Amerika-Suite, ein ergreifendes auf einem Dokumentarfilm von Santiago Alvarez basierendes Musikstück, das in Kuba mit der Person von Ernesto Che Guevara in Verbindung gebracht wird. Aus den spanischen und afrikanischen Wurzeln, wobei letztere das Übergewicht hatten, entstand die Rumba, der Yambú, der Guaguancó und die Columbia.
Die Interpretation erfolgt mit Trommeln (Tumba, Llamador und Quinto). Auf den Festen der Negersklaven wurde die Conga geboren, ein Genre, bei dem Gesang und Tanz im Rhythmus der Trommeln (Conga, Tumbador und Quinto) dargebracht werden.
Der Latin Jazz Ist die Rede vom Jazz, dann ist unbedingt Jesús (Chucho) Valdés zu erwähnen, eine lebende Legende dieses Genres, dessen Erfolge auf den bedeutendsten Jazz- und Salsafestivals der Welt sein Genie offenbaren. Mit seiner Gruppe IRAKERE hat er den Latin Jazz und die kubanische Popmusik auf den Gipfel des Ruhmes geführt.
Zwei Komponisten - zwei Ruhmestitel Ernesto Lecuona und Gonzalo Roig sind Sinnbild der kubanischen Musik. Der über außergewöhnliche Fähigkeiten als Pianist verfügende Lecuona gilt als der meistverbreitete kubanische Komponist. Roig wird als Pionier der Symphonik in Kuba betrachtet. Er komponierte Cecilia Valdés, die repräsentativste Zarzuela der kubanischen lyrischen Musik, sowie den weltweit bekannten Bolero Quiéreme mucho.
Andere beachtenswerte Komponisten Im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erschienen auf der kubanischen Musikbühne die Komponisten Amadeo Roldán und Alejandro García Caturla. Ihre Werke zeigen ein Miteinander der modischen europäischen Strömungen mit den die Präsenz unserer Folklorewerte in der symphonischen Musik herausstreichenden Klängen, besonders jener afrikanischen Ursprungs.
Im Konservatorium Amadeo Roldán lehrt seit 1961 Leo Brower, ein ausgezeichneter Gitarrist und Orchesterdirigent, dessen Konzerte auf den Festivals von Aldenburg, Avignon, Edinburg, Spoleto, Berlin, Toronto, Arles und Martinica sowie auf den bedeutendsten Musikbühnen Europas Bewunderung fanden. Ein ebenfalls sehr hervorragender Komponist ist Harold Gramatges.
Die kubanischen Stimmen Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gewannen die Schöpfer des Chanson an Beliebtheit. Die beachtenswertesten Vertreter des Genres sind Sindo Garay, Manuel Corona, Rosendo Ruiz und Alberto Villalón. 1907 wurde in Santiago de Cuba Francisco Repilado geboren, der überaus berühmte Compay Segundo, der heute mit seinen 93 Jahren und vollem Interpretationsprogramm als Vertreter der authentischsten kubanischen Musik diese auf den Bühnen der Welt darbietet. Anfang der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte die Entwicklung der Bewegung des Neuen Liedes ein. Eine Gruppe junger Liedermacher besingen mit überschwänglichem Lyrismus und eigener Gitarrenbegleitung - so wie es auch die Vertreter des traditionellen Liedes taten - die Themen des Alltags des Landes sowie ihre ureigensten Emotionen und Eindrücke. Zwei der hervorragendsten Initiatoren dieses neuen lateinamerikanischen Liedes sind Silvio Rodríguez und Pablo Milanés. Zu ihnen gesellen sich heute Dutzende weiterer Namen.
Die schönste Form des Schönen "Die Musik ist die schönste Form des Schönen", versicherte unser Apostel José Martí. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die tropischen Schönheiten dieser Karibikinsel Komponisten und Interpreten allererster Klasse hervorgebracht haben. Hier, wie die Cervantes-Preisträgering Dulce María Loynaz in einem ihrer Gedichte schreibt "... ist der Gesang der Drossel die reinste Musik".